Die Geschichte einer Flucht
Als du starbst starb auch mein Verstand. Erst langsam und lautlos, doch mit der Zeit konnten selbst Außenstehende beobachten wie mein Geist rapide zerfiel und sich aufzulösen began. Meine Posen und mein Gebaren wurden immer toller und der Sinn meiner Worte verlor sich im Unsinn meiner Handlungen. Irgendwann erreichte ich den Punkt an dem ich selbst Angehörigen und Freunden zur Last fiel.
Irgendjemand muss mich wohl eingewiesen haben, denn freiwillig habe ich die Jahre in der Anstalt bestimmt nicht zugebracht. Mein Haar wurde schütter, nur an den Seiten wuchs es noch, das Gesicht begann sich zu deformieren, bis es sich schließlich in eine hässliche breiige Fratze verwandelt hatte und irgendwie schien ich mit jedem Tag zu schrumpfen. Eines Tages, es muss wohl ein Montag gewsesen sein, verlor ich auf dem linken Ohr das Gehör. Der immerwährend lächelnde Arzt, der uns auch gerne mal stundenlang angeleint im Kreis laufen ließ ,um sich nicht mit uns herumplagen zu müssen, hatte mir das Trommelfell zerstochen. Ich war überrascht, als ich bei dieser Prozedur überhaupt keinen Schmerz verspürte. Mit der Zeit gewöhnte ich mir an in dem tauben Ohr herumzupulen und und daran zu zupfen, da ich hoffte, so die einseitige Taubheit rückgängig machen zu können. Der nette Doktor konnte dieses neurotische Verhalten jedoch nicht ertragen, als zu störend empfand er es doch während der Mittagszeit. Und so trennte er kurzerhand das Ohr mit einem Skalpell von meinem Kopf und nähte es, da gerade Freitag war an meine Stirn. Meine Missgestalt trug täglich zur belustigen der anderen Insassen bei und auch der Arzt fand gefallen daran. Da ich das hämische Gelächter des Arztes und das bösartige Gezerre der Insassen an mir nicht länger ertragen wollte, begann ich im Park ohne Leine zu lustwandeln. In dieser Anstalt war dies jedoch nicht gern gesehen und so brach mir der Doktor an einem Mittwoch beide Beine. Nach Monaten erst konnte ich wieder stehen, doch nicht ohne Probleme. Da mein Gleichgewichtsinn wegen des verloren Ohres eh schon gestört war, bereiteten die krumm und schief zusammengewachsenen Knochen noch größere Probleme als erwartet. Mit der Zeit lernte ich jedoch damit umzugehen und entwickelte einen mehr watschelnden Gang, mit dem ich instande war beinah so gut wie früher zu laufen. Ich hatte keine Schmerzen verspürt als mir der Arzt die beine brach, doch jetzt spürte ich sie bei jedem Schritt und auch das Ohr auf meiner Stirn und die Narbe an der einstmals das Ohr gesessen hatte begannen zu schmerzen, meine Augen wurden klarer und ich war wieder imstande zu denken und mich zu artikulieren, doch das verbarg ich geschickt vor dem Doktor. In meinem Kopf keimte ein Gedanke, der letztendlich zu einem plan heranwuchs: Ich entschloss mich zur Flucht.
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